Mammutmarsch
Die Herausforderung
Oktober 2015
Im Oktober fuhren wir für eine Woche nach Berlin und besuchten unseren Sohn Benjamin. Am Wochenende ging die Familie ins Brauhaus in Spandau. Es wurde das Oktoberfest im Zelt gefeiert. Von Zeit zu Zeit gingen Benjamin und ich vor die Tür um eine Zigarette zu rauchen. Während wir draußen vor der Tür standen und uns unterhielten, erzählte mein Sohn, dass er im Mai 2016 beim Mammutmarsch mitmachen werde. Mammutmarsch 2016: 100 km in 24 Stunden und alles zu Fuß. Eine echte Herausforderung. Ich fand die Idee gut und sagte zu ihm, dass ich ihn unterstützen würde und zu jedem Versorgungspunkt käme um ihm Essen und Getränke zu bringen. Wir waren den Abend mehrmals vor der Tür und unterhielten uns über dieses Thema. Irgendwann hörte ich mich sagen: „Ich bin dabei und laufe mit Dir„. Hatte ich das wirklich gesagt? Ich sah das Leuchten in seinen Augen und wusste, dass ich aus dieser Nummer nicht mehr heraus komme. Im Laufe des Abends sagte ich für 30 km zu. Diese 30 km wollen aber auch trainiert werden. Und so nahm ich mir vor, regelmäßig zu laufen.
Die Monate vergingen und jeder von uns be
reitete sich auf seine eigene Weise vor. Mittlerweile ist die Gruppe auf 8 Mann angewachsen und wir tauschten uns über WhatsApp aus. Ich kaufte mir gute Wanderschuhe und Laufsocken und fing an, ab und an zu laufen. Aber wie das so ist, wenn ich mir was vornehme: immer wieder kamen andere Termine dazwischen und ein echtes Training fand nicht statt. Hin und wieder konnte ich eine Strecke von 10 km laufen, aber das war zu wenig. Schließlich hatte ich für 30 km zugesagt.
Anfang Februar
Damit der Mammutmarsch bestritten werden kann, muss auch die Anmeldung erfolgen. In Facebook gab es die Gruppe Mammutmarsch 2016. Dort erfuhr ich den Namen der offiziellen Seite. Die hatte ich sofort besucht und las dort:
DIE CHALLENGE
Grenzen finden und überwinden.100 Kilometer müssen in weniger als 24 Stunden zu Fuß zurückgelegt werden. Der Körper stößt an seine Grenzen, aber der Marsch ist vor allem eine Sache des Kopfes. Und auch wer beim ersten Mal nur einen Teil der Strecke schafft, ist ein Gewinner. Selbst 30 Kilometer sind eine respektable Leistung, die die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben nicht schaffen.
Da waren sie, die 30 km. Respektable Leistung. Wenig trainiert. Das packe ich schon, dachte ich.
Das Prozedere der Anmeldung durchlief ich und schaute mir das offizielle Video der Seite an. Ich war motiviert.
Anfang Mai oder
Noch 2 Wochen
Meine Eintrittskarte zum Mammutmarsch kam per Post. Noch fehlte mir einiges an Ausrüstung für den Mammutmarsch. Eine Stirnlampe, Blasenpflaster, Hirschtalg, Batterien, MP3-Player, Rucksack. Beim Rucksack stellte sich die Frage, ob der Rucksack eine Trinkblase haben solle oder besser nicht. Ohne Trinkblase bedeutet aber auch, reichlich Getränke im Vorfeld zu besorgen. Ich entschied mich gegen eine Trinkblase und besorgte mir reichlich Isotrinks. Auch machte ich mir einen Plan, was für so einen langen Marsch alles nötig ist und unbedingt in den Rucksack gehörte. Alles das besorgte ich mir nach und nach. Müsli-Riegel, Bananen, Autan …
Der Tag davor oder
Die Vorfreude

Alle meine Utensilien wurden im Kofferraum meines PKW’s verpackt. Danach holte ich meine Tochter Alexandra ab und anschließend meinen Neffen Lars. Nachdem alle Rucksäcke, Taschen und Schuhe im Auto verstaut waren, ging es nach Berlin.
500 km lagen vor uns. Wir hatten uns viel Zeit für die Fahrt gelassen und auch ein paar Pausen eingelegt. Nach 6 Stunden
sind wir endlich bei meinem Sohn Benjamin in Berlin angekommen. Wir waren zwar müde von der Fahrt, aber wir freuten uns auch auf den nächsten Tag. 
Der Tag des Marsches. So packten wir unsere Sachen erst mal aus, sortierten alles mehrfach um, bis wir der Meinung waren, alles Notwendige eingepackt zu haben. Wenige Utensilien ließen wir draußen, denn wir waren der Meinung, wir brauchten es doch nicht. Am Abend gab es noch eine leckere Nudelparty, damit wir gestärkt den nächsten Tag angehen konnten. Unsere sortierten Wanderutensilien fotografierten Benjamin, Lars und ich und posteten es in Facebook. Und als hätten viele unserer Freunde darauf gewartet, gab es Kommentare und Likes auf unsere Posts. Da es spät geworden war, sind wir ins Bett gegangen, mit dem Wunsch, so lange wie möglich in den kommenden Tag hinein zu schlafen.
14. Mai 2016 oder
Das böse Erwachen
Der große Tag war da und der Mammutmarsch konnte beginnen. Angekommen am Sportzentrum Erkner haben wir uns auch gleich angemeldet. Drei Leute aus unserer Gruppe holten sich noch ein Mammut-Shirt und zogen es voller Stolz auch gleich an. Wir traten als Team an. Neun Männer und zwei Frauen. Noch konnten wir uns eine Weile ausruhen. Wir witzelten und lachten. Aber das Lachen sollte uns noch vergehen.
Alle waren wir in der Startgruppe 6, wie gewünscht, rein gekommen. Unser Start sollte um 17 Uhr sein. Alle 15 Minuten starteten 250 Menschen in einer weiteren Startgruppe. 2500 Menschen wollten diesen Marsch bestreiten. Tröstlich zu wissen, dass man nicht alleine mit solch bekloppten Gedanken ist. Ein Sprecher mit Mikrofon zählte jede Gruppe an, damit diese zeitig startete.

Endlich waren wir dran. Startgruppe 6 war am Laufen. Hölle, was legte die Gruppe ein Tempo vor. Das waren ungefähr 6,5 – 7 km/h. Ganz schnell hatte ich einen hochroten Kopf, konnte kaum reden, da ich aus der Puste war. Ich japste förmlich. So würde ich das keine 5 km aushalten. Immer wieder fiel ich zurück und immer wieder aufs Neue musste ich aufholen, damit die Gruppe zusammen blieb. Irgendwann fiel der Groschen. Lass die Gruppe doch laufen, dachte ich und halte dein eigenes Tempo. Nachdem ich diesen Entschluss gefasst hatte, ging es mir bedeutend besser. Mein Tempo lag bei 5 km/h. Eine völlig gesunde Geschwindigkeit. Irgendwann wurde ich von Lars vermisst. Er lies sich nach hinten abfallen bis er bei mir war und blieb auch immer in meiner Nähe. Danke Lars.




Zu Hause, bei Christina und Dominik angekommen, wollte ich aus dem Auto steigen. Die Autofahrt hatte mir sehr gut getan. Ich hatte mich aufgewärmt, aber auch gesessen und das mindestens 15 Minuten. Und genau das war ein großer Fehler. Sitzen und ausruhen. Fatal. Ich war nicht in der Lage, aus dem Auto zu steigen. Dominik musste mir helfen. Ich eierte vom Wagenschlag zur Haustür. Meine Muskeln schienen sich um mehrere Zentimeter verkürzt zu haben, dessen war ich mir sicher. Und so lief ich auch. Zum Glück gab es in dem Haus einen Aufzug und ich musste keine Stufen laufen. In der Wohnung angekommen, wollte ich nur noch duschen und schlafen. Meine Beine duschte ich heiß ab. Das würde mich vor dem Schlimmsten bewahren, so hoffte ich. Danach ging es ins Bett.
Lars machte in der Zwischenzeit Tempo und holte tatsächlich noch meine Tochter Alexandra ein, die mittlerweile am Versorgungspunkt 2 (44 km) angekommen war. Gemeinsam marschierten die Beiden zum nächsten Versorgungspunkt bei KM 59. Leider wurde der Marsch nachts gegen 2 Uhr abgebrochen. Lars und Alexandra mussten ihren Marsch bei KM 59 beenden. Über Benjamin hörte ich, dass er bei KM 42 seinen Marsch beendet hatte.
RESPEKT an Alexandra und Lars.
Der Tag danach
Der Tag danach brachte uns Läufern viele Tränen des Lachens. Ich will gar nicht behaupten, dass wir keine Schmerzen hatten. Denn die hatten wir. Und die waren höllisch. Aber wenn wir uns laufen sahen, brüllten wir vor lachen. An unserem Laufen war nichts Natürliches. Wir bewegten uns wie aufgezogene Roboter. Steif und überhaupt nicht geschmeidig. Dieser Zustand besserte sich schon einen Tag später.
2 Monate danach oder
Der Verlust von Zehennägeln
Kurz nach dem Mammutmarsch sah ich farbliche Veränderungen an einigen meiner Zehennägel. Sie wurden Blau und schmerzten bei Berührung. Der Berührungsschmerz lies nach ein paar Tagen nach. Die blaue Verfärbung dagegen wurde immer deutlicher. Zwei Monate nach dem Marsch und einer unglücklichen Berührung mit einer Mauer hatte sich das Thema blauer Nagel erledigt. Er fiel ab. Zu retten war es sowieso nicht mehr. Jetzt warte ich auf das Abfallen des zweiten Nagels. Die neueste Entdeckung nach 2 Monaten ist ein großer Lufteinschluss auf dem Zehennagel Großer Onkel. In einigen Monaten werde ich wissen, wie es mit diesem Nagel weiter geht.
Fazit
Nächstes Jahr bin ich wieder dabei.
